Meine letzten Euros hatte ich zusammengekratzt für den Trip des Jahres. Fünf schwedische Städte in fünf Tagen, wobei ich die meiste Zeit on the road verbrachte. Mittwoch abend ging es mit dem letzten Flug nach Skavsta und von dort mit dem Bus nach Norrköping. Den Donnerstag hab ich genutzt um meiner Uni in Linköping einen Besuch abzustatten und alte Freunde wieder zu sehen. Abends war Party mit den Leuten aus der Hardrock Föreningen in Norrköping angesagt – wie schön, dass ich da immer noch Mitglied bin!
Freitag früh hab ich mich dann total verpennt auf den Weg zur Bushaltestelle gemacht, unterwegs noch das Standardfrühstück dieser Reise: Kaffe och Bulle für „alltid 18“ im Pressbyrån, und dann auf direktem Weg nach Borås? Denkste! Umsteigen in Jönköping war angesagt, wegen zu hohem Passagieraufkommen oder weiß der Kuckuck. Nix mit Schlafen, ich musste mein überhaupt nicht handliches Gepäck von einem Bus in den nächsten wuchten und ganz panisch meine Mitreisenden fragen, ob ich grad auch wirklich in der richtigen Schlange stehe. Aber schließlich soll man ja beim Reisen auch was erleben!
Das Vandrarhem in Borås war zum Glück nicht weit vom Bahnhof entfernt und die Swing Bar war in der nächsten Parallelstraße gleich gegenüber. Ich brauchte lediglich einmal halb um das Haus herumgehen. Da es erst früher Nachmittag war, bin ich erstmal shoppen gegangen, es war unglaublich, ein Schuhladen am anderen! Klar, dass ich da schwach geworden bin... Die Bombs waren auch schon ziemlich zeitig da, zumindest hab ich den Bandbus in der wiederum nächsten Parallelstraße aufgespürt, was wohl die Rückseite des Clubs war. Und, ja, natürlich bin ich mehrmals um den Block geschlichen, um alles auszuspionieren, ich bin doch neugierig! Und ich hätte auch nix dagegen gehabt, vielleicht einen der Jungs bei ner Raucherpause o.ä. aufzustöbern. Außerdem wusste ich bis zum Abend auch noch nicht wann der Spaß losgehen sollte, das war im Internet leider nicht rauszukriegen, und irgendwoher musste ich die Info ja bekommen!
Vor um zehn sollte allerdings sowieso niemand rein gelassen werden, also hab ich mich zum Abend hin in meinem Zimmer verkrochen, um mich vor den Verlockungen der Kauftempel zu schützen. Vor allem musste ich aber mein Styling restaurieren, das tagsüber natürlich gelitten hatte. Außerdem hatte ich mir meine Finnischhausaufgaben mitgebracht und musste auch noch die Fragen für das Fanclub-Interview übersetzen.
Gegen dreiviertel zehn hab ich mich dann gaaanz langsam auf den Weg ums Haus gemacht. Am Einlass sollte ich erstmal den Ausweis vorlegen, bevor ich in das Labyrinth der Swing Bar gelassen wurde. Nach einigem Herumirren stand ich dann plötzlich vorm Merch-Stand, hab meinen selbstverständlichsten Gesichtsausdruck aufgesetzt und Mac mit nem fröhlichen „Hej!“ begrüßt. Der Arme stand erstmal minutenlang mit runter geklapptem Unterkiefer vor mir, bis er ein „Was machst du denn hier?“ raus bekam. Marty wirkte dagegen schon weniger überrascht, oder zumindest hat er es besser versteckt. Aber immerhin wusste ja wenigstens Dani, dass ich vorbeischauen wollte. Zur Begrüßung gab’s von Marty nen dicken Knuddel und ne Pulle Spendrups, klasse, alle Klischees erfüllt, haha! Ich bin dann weiter über die Tanzfläche Richtung Garderobe gezogen, um meine Klamotten loszuwerden. In der Zwischenzeit wurde dann auch schon der Konzertraum geöffnet und ich hatte Gelegenheit auch die anderen zu begrüßen und ein paar Worte zu wechseln. Aspen war natürlich auch da, schließlich hatte er das Konzert organisiert. Die Vorband Lace wurde auch von ihm produziert, das heißt die Demo, die ich auf der April-Tour von ihm bekommen hatte.
Während Lace spielten, geriet das Publikum schon total aus dem Häuschen. Sicherheitshalber hab ich mich zu einigen anderen zurückhaltenderen Zuschauern gesellt, die das Konzert von einer Art schmaler Terasse beobachteten, die sich seitlich von Konzertraum und Tanzfläche erstreckte und beide Räume in drei Meter Höhe miteinander verband. Dorthin hab ich mich auch nach der Hälfte des Babylon-Sets gerettet, denn gegen die ausgerastete schwedische Kleinstadtjugend hatte ich einfach keine Chance.
Es war klasse, die Jungs nach über einem halben Jahr endlich wieder spielen zu sehen und offensichtlich ging es ihnen ähnlich, nachdem sie praktisch den ganzen Sommer in die Pre-Production der neuen Platte gesteckt hatten. Zwei der neuen Songs wurden auch vorgestellt, einer davon „Highway 69“ und mir schon nicht mehr ganz unbekannt.
Nach dem Konzert war neben der Bar, wo ich mir meinen After-Show Gin-Tonic besorgt hatte, natürlich der Merch-Stand der erste Anlaufpunkt. Mac war beleidigt, als ich nicht teilen wollte, und meinte, ich solle ja nicht vergessen, wer mir vorher das Bier besorgt hatte! Erpresser! Dort bin ich dann auch mit nem Mädel aus Borås ins Gespräch gekommen, dem ich erklären musste, dass ich zwar ziemlich gut schwedisch spreche, aber doch lieber gleich bei Englisch bleibe, da die Babylon Bombs sowieso nicht raffen, dass ich ihre Sprache kann, und ich jedes Mal tierisch verwirrt bin, wenn ich auf nen schwedischen Satz ne englische Antwort bekomme. Witzigerweise hatte sie finnische Freunde da, denen ich „Minä olen saksalainen.“ erklären konnte. Die haben sich halb tot gefreut!
Die Jungs trudelten dann auch einer nach dem anderen ein zum Ringelpietz mit Anfassen. Jon erzählte mir, dass er an diesem Abend zum ersten Mal wieder raus gekommen wäre seit sein Sohn auf der Welt ist. Ja! Wegen guter Führung bekommt Papa Ausgang! Zum ersten Mal seit zweieinhalb Monaten! Als der Ansturm der Fans langsam nachließ, griff sich Marty meine Hand und meinte: „Los, wir suchen uns was zum Hinsetzen!“ Jon hing sich auch dran, aber freie Plätze waren nirgends zu finden, also wurde ich von den beiden eine Etage höher in den Backstageraum gelotst, der schon aus allen Nähten platzte, weil, wie viele Bandmitglieder plus Groupies passen wohl in so n Drei-Quadratmeter-Kabuff? Dort oben angekommen hat mir Herr Tronsson erstmal nen Tonic-Gin (in dem Mengenverhältnis!) verpasst, vermutlich aus Mitleid, haha! Swaint und Dani waren inzwischen auch oben, aber Dani schaute nur kurz in die Sardinenbüchse und meinte dann zu mir: „Laß uns in den Flur setzen und reden!“ Dann haben wir da also im Weg rum gesessen und über unsere Jobs gequatscht bis Dani weiter an seinem Alkoholspiegel arbeiten wollte. In der Zwischenzeit hatten die anderen festgestellt, dass der Gin alle war und sofort Marty in Verdacht. Aber ich wusste ja, wo der gelandet war, haha, und jetzt hätte ich auch sofort geteilt, weil ich ja auch irgendwie die Treppen wieder runter kommen musste. Swaint stellte mir zum x-ten Mal die Frage, wann ich denn endlich nach Schweden ziehe, das heißt, er hat zum ersten Mal gefragt, aber gefragt wurde ich das schon wer weiß wie oft. Mehr als „Ich hab da lange drüber nachgedacht.“ schaffte ich aber nicht zu sagen, da hat er schon weitererzählt. Nach ungefähr ner Stunde crashten die Leute vom Club die Party und fingen an, alle raus zu werfen, die nicht zu den Bands gehörten, woraufhin sich die ganze Gesellschaft zuerst auf die Straße und dann ins Hotel weiterbewegte. Die Band hatte sich witzigerweise im selben Haus wie ich eingebucht, allerdings im Hotelteil, wie sich das für Rockstars gehört. An dieser Stelle hab ich mich dann aber in mein Low-Budget-Studenten-Rabatt-Hostel-Zimmer abgesetzt, weil mein Zug am nächsten Morgen sehr zeitig gehen sollte. Wie ich am nächsten Tag erfuhr, ging die Party noch bis fünf Uhr morgens weiter, lediglich Dani war schlafen gegangen und mußte zur Strafe den Bandbus fahren.